Tag-Archiv | ADHS

What’s up? Mein Leben mit ADHS als Spätdiagnostizierte

Vieles gibt mittlerweile richtig viel Sinn, seit ich weiß, dass ich neurodivergent bin. Gerade im Bereich Nahrungsaufnahme und Trinken gibt es bei mir nur „ganz oder gar nicht“…

Es zeigt sich bei Vorliegen einer AD(H)S auch eine deutliche Erhöhung des Auftretens von allen Essstörungen. Sowohl Magersucht (Anorexie), Ess-Brechsucht (Bullimie) und Esssucht (Hyperphagie) kommen gehäuft bei AD(H)S vor. Bullimie und Esssucht gehören zu den Störungen der Impulskontrolle, weil die Betroffenen Unmengen von Nahrungsmitteln in sich hinein schaufeln, während die Magersucht eher zwanghafte Anteile hat, weil Betroffene hier sich überkontrollieren und einfach gar nichts essen. Im Laufe des Lebens können die Essstörungen in andere Formen übergehen oder sich abwechseln.

adhs-muenchen.net

Um regelmäßiger zu Trinken [ich trinke fast ausschließlich Leitungswasser; das mit Kohlensäure versetzte schmeckt mir persönlich überhaupt nicht] bediene ich mich verschiedener Tricks. Zum Einen besitze ich eine Flasche, die über Lichtsignale auf sich aufmerksam macht – sofern ich denn daran denke, diese regelmäßig über das mitgelieferte USB-Kabel aufzuladen….

Jetzt im Sommer habe ich es mir zudem angewöhnt, immer eine größere Menge Eiswürfel vorrätig zu haben. Das bietet sich vor allem im Home Office an. Morgens vor Arbeitsbeginn mache ich eine große Karaffe fertig. Eiswürfel gepaart mit kaltem Wasser, eventuell noch Zitronenscheiben [oder tiefgekühlter Zitronensaft] und zumindest für den Vormittag ist schon mal die Flüssigkeitszufuhr gesichert. Meist mache ich mir dann zur Mittagspause direkt nochmals eine Karaffe fertig.

Alternativ – wenn es zum Beispiel so kalt ist wie in den letzten Tagen – gibt es dann Tee in rauen Mengen. Ich persönlich liebe Salbei- und Fencheltee sehr, aber auch Minze steht bei mir hoch im Kurs.

Zum Thema Essen habe ich persönlich ja ein durchaus gespaltenes Verhältnis. Ich weiß, was ich essen sollte, in welchen Mengen und vor allem, dass ich regelmäßig essen muss. Ich bin ja nun wirklich kein Frühstücksmensch, seit ich jedoch mein ADHS-Medikament verordnet bekam, muss ich beispielsweise frühstücken. Gar nicht meines!

Zudem ist es so, dass ich alles andere als schlank bin und mein Essverhalten mit Hyperphagie bezeichnet wird. Wirklich nicht lustig, denn Impulskontrolle ist für mich alles andere als einfach. Da muss ich mir wirklich noch Strategien einfallen lassen.

Dieser Beitrag wurde am 1. August 2023, in Deep Shit veröffentlicht und verschlagwortet mit .

What’s up?

Schon wieder ein Monat rum… Zeit also, mal wieder was zum Thema AD[H]S zu schreiben. Ganz viele verschiedene Gedanken und Ideen hierzu hüpfen wie Eichhörnchen in meinem Kopf herum. Es gibt einige Punkte, die ich ins Schweinwerferlicht stellen könnte:

  • Ordnung
  • Zeitmanagement
  • Selbstfürsorge
  • Essen / Trinken
  • Objektpermanenz
  • Impulsivität
  • Anpassung & Masking
  • Spezialinteressen

Ich glaube, gerade der Themenbereich Impulsivität, Durchhaltevermögen und Sprunghaftigkeit ist für neurodivergente Menschen ziemlich anstrengend – zumindest mir persönlich geht es so. Für wie viele Themen ich mich schon mehr oder wenige kurze Zeit interessierte, kann ich nicht einmal in Ansätzen nachvollziehen.

Impulskontrolle bzw. die sogenannte Impulskontrollstörung ist ein wesentlicher Teil von AD[H]S. Dies kann sowohl positive als natürlich auch negative Auswirkungen im Leben der betroffenen Person haben:

Häufige ADHS Verhaltensweisen bei fehlender Impulskontrolle

Betroffene können eine Reihe von impulsiven Verhaltensweisen zeigen, die für die Impulsivität bei ADHS bekannt sind.

  1. Aussprechen, was gerade im Kopf ist: ADHS-Betroffene können sich nur schwer zurückhalten, Dinge zu sagen, die vielleicht unangemessen oder irrelevant sind, selbst wenn die Menschen um sie herum nicht daran interessiert sind, was sie zu sagen haben.
  2. Andere unterbrechen: Mit ADHS haben die meisten Erwachsenen und Kinder oft Schwierigkeiten, sich auf Gespräche zu konzentrieren. Dabei unterbrechen sie andere, wenn etwas anderes interessiert. Effektive Kommunikation ist für den Erfolg in jedem beruflichen Umfeld oder auch in der Schule unerlässlich.
  3. Voreilige Entscheidungen treffen: Impulsiv verhalten, kann auch zu überstürzten Entscheidungen führen. Jemand mit ADHS könnte eine Entscheidung treffen, ohne die Konsequenzen oder potenziellen Risiken zu bedenken, und damit negative Folgen in Kauf nehmen.
  4. Probleme mit dem Warten: Menschen mit ADHS haben oft Schwierigkeiten, auf Dinge zu warten, die sie sich wünschen, wie Essen, Spielzeug oder andere Belohnungen. Wutausbrüche und Aggressivität können die Folge sein, wenn die Erwartungen nicht erfüllt werden.

Die positive Seite der Impulsivität

Neben den Nachteilen, die sich zeigen können, wenn einem Impuls nachgegeben wird, gibt es auch eine positive Eigenschaft. Die Spontanität! Bei fehlender Impulskontrolle sind Betroffene eher bereit, zu reagieren.

  1. Aushelfen, wenn Hilfe benötigt wird: Betroffene mit ADHS werden oft als hilfsbereit angesehen, weil sie schnell und ohne viel nachzudenken, auf ein Bedürfnis reagieren können.
  2. Kreativität: Aufgrund ihrer spontanen Art sind Menschen mit ADHS oft kreativer und finden innovative Lösungen für Probleme.
  3. Wenn andere zögern, ist man bereit: Wenn andere zögern oder zaudern, ist man selber bereit sofort loszulegen. Das kann gerade im beruflichen Umfeld nützlich sein, in dem Entscheidungen getroffen und Aufgaben schnell erledigt werden müssen.
  4. Verantwortung übernehmen: Bei ADHS übernehmen Betroffene oft die Verantwortung für ihr Handeln, auch wenn sie Fehler machen. Das kann in jedem Team oder jeder Familie eine wertvolle Eigenschaft sein.
https://adhs-kompakt.de/adhs-impulskontrolle/

Ich bin ein sehr spontaner, jedoch auch sehr emotionaler Mensch. Vielen Entscheidungen treffe ich wirklich, ohne groß nachzudenken. Beispielsweise hat mich nach der letzten Therapiesitzung meine Therapeutin angesprochen, dass eine andere Klientin nicht mehr zu deren üblicher Zeit kommen kann. Ob ich deren Termin übernehmen wolle? Die Therapeutin hatte quasi noch nicht mal ausgesprochen, da habe ich bereits zugesagt. Erst im Nachgang fiel mir auf, dass das vielleicht nicht so klug war, aber nun ist es eben so… so geht es mir ganz häufig; manche Entscheidungen revidiere ich im Nachgang, andere nicht.

Jedoch können solche spontanen Entscheidungen durchaus richtig fiese Auswirkungen haben – Briefe, die nicht geöffnet werden, irgendwelche Impulskäufe, die die Wohnung verstopfen und das Konto irgendwann ins Minus bringen….

Genauso spontan war auch eine meinen Job betreffende Entscheidung vor ungefähr zwei Jahren. An einem anderen Standort unseres Unternehmens waren einige Kollegen aus verschiedenen Gründen ausgefallen. Mein damaliger Vorgesetzter hatte mit mir darüber gesprochen, dass er für insgesamt fünf Wochen jeweils zwei Mitarbeitende dorthin entsenden wolle. Ich habe ihm spontan zugesagt, vier der fünf Wochen nach Nürnberg zu gehen. So musste er nur noch sechs Arbeitswochen mit Personal abdecken und ich konnte trotz Pandemie mal wieder was anderes sehen… Win-win für beide Seiten!

Auch meine Kreativität, die allgemein als „cooles Feature“ von AD[H]S-Betroffenen bezeichnet wird, sehe ich als positiven Aspekt. Nicht nur im Freizeitbereich, wenn ich Scrapbooking/Memory keeping mache, nähe oder koche, sondern auch im Beruf. Da merke ich dann schon, dass mein Kopf anders tickt als bei neurotypischen Personen. An Problemstellungen gehe ich einfach anders heran als KollegInnen – ich werde selbst von Menschen, die schon seit Jahrzehnten in unserem Tätigkeitsfeld arbeiten – immer wieder um Hilfe gebeten, weil diese wissen, dass ich immer wieder gute Ideen und Lösungsansätze habe.

Dank Therapie und auch der intensiven Beschäftigung mit mir selbst in Form des Jahresprojektes One little Word schaffe ich es tatsächlich mittlerweile auch endlich, meine Emotionen besser zu regulieren. Früher war ich so oft wie ein Vulkan, angespannt und immer ganz kurz vor der Explosion. Irgendwie ist es mir inzwischen echt möglich, mich da etwas zu regulieren. Oft genug kommt mir zwar dennoch mein Sturkopf in den Weg, aber es ist echt schön, immer wieder auch Feedback von mir nahe stehenden Personen zu erhalten, dass ich mich positiv verändert habe [im Real life bin ich deutlich weniger offen in Sachen Neurodivergenz und Therapie als hier im „anonymen“ Internet, daher wissen nur wenige Menschen Bescheid, wie stark ich an mir arbeite….].

Durchhaltevermögen und Sprunghaftigkeit sind auch so Themen bei mir…. manche Sachen halte ich ewig durch, bin zäh und habe Biss. Bei anderen habe ich die Aufmerksamkeitsspanne eines Goldfisches; meine Gedanken hüpfen umher wie Eichhörnchen. Das ist für mich selbst echt auch nicht wirklich einfach und so manches Mal koste ich mich selbst den letzten Nerv. Nicht so toll.

Dieser Beitrag wurde am 1. Juli 2023, in Deep Shit veröffentlicht und verschlagwortet mit .

What’s up?

So wie andere BloggerInnen einen Monatsrückblick machen, versuche ich mir selbst ein wenig Struktur zu verschaffen und am Monatsersten ein wenig über mein Leben mit AD[H]S und dem ganzen damit einhergehenden Struggle zu schreiben… ich bin mal gespannt, wie lange ich das durchhalte. Denn genau das ist für mich eines meiner größten „Probleme“ – die Sprunghaftigkeit meiner Interessen und Hobbies macht mir da durchaus zu schaffen.

Richtig gut fühlt sich etwas an, was sich tatsächlich in mein Verhalten eingeschlichen hat: letztes Jahr habe ich vielleicht zehnmal alkoholhaltige Getränke konsumiert, in 2023 noch gar nichts! Selbst, als ich mit meiner besten Freundin am letzten Wochenende in unserer Lieblingsbar war, um ihren neuen Job zu feiern, hatte ich kein Bedürfnis nach alkoholischen Cocktails, sondern habe mich an Virgin Drinks gehalten. Das fühlt sich für mich gar nicht nach Verzicht an, sondern mittlerweile ganz normal. Vor der Pandemie habe ich gerne Radler etc. getrunken – gerade, wenn wir alle in der Arena unser Basketballteam anfeuerten, war Alkohol eigentlich so gut wie immer mit von der Partie. Dann kam der Cut und das bisherige Leben war einfach weg… Alleine daheim sitzen und irgendwelche Drinks konsumieren fühlt sich gar nicht gut an für mich und so habe ich ab dem ersten Lockdown im März 2020 das ziemlich gestrichen. Klar war da durchaus auch mal das Bedürfnis nach einem Drink und dem habe ich auch nachgegeben, weil das nach einem Glas dann auch wieder gut war und zwischen den alkoholischen Getränken lagen oft Wochen. Für mich also ganz klar, dass ich keinerlei Gefahr laufen würde, in einen unguten Konsum abzurutschen und schräg hinter mir steht mein Barwagen, während ich diese Zeilen tippe. Die meisten Flaschen sind noch originalversiegelt und keine habe ich nach Sommer 2019 gekauft.

Warum schreibe ich das alles? Dank AD[H]S sowie einer weiteren chronischen Krankheit nehme ich täglich Medikamente. Dass das unter anderem die Leber beansprucht, dürfte hinreichend bekannt sein. Alkoholkonsum kann die Nebenwirkungen von Medikamenten deutlich verstärken und greift eben zusätzlich Organe wie Leber, Magen und Bauchspeicheldrüse an.

Eine der auffälligsten Begleiterscheinungen in Sachen AD[H]S ist beispielsweise die sogenannte Impulskontrollschwäche. Das kann sich völlig unterschiedlich darstellen: Stimmungsschwankungen, Impulskäufe, Alkoholkonsum – so bleibt es dann eben oftmals nicht bei einem Glas, sondern es wird bis zur Besinnungslosigkeit getrunken.

Gerade bei weiblich gelesenen Personen wird AD[H]S oft falsch, gar nicht oder viel zu spät diagnostiziert. Momentan könnte der Eindruck in den sozialen Medien gewonnen werden, dass es sich um eine „Modediagnose“ handelt. Jedoch stimmt dies meiner Meinung nach gar nicht. Zum Einen ist mittlerweile bekannt, dass AD[H]S nicht nur kleine Jungs betrifft, sondern auch erwachsene Menschen von den vielfältigen Ausprägungen betroffen sind, zum Anderen nutzt die Forschung wohl auch zwischenzeitlich andere Ansätze. Jedoch ist es so, dass Diagnostik- und Therapieplätze deutlich zu wenig für den enormen Bedarf sind. Eine Bekannte aus dem Großraum Stuttgart hatte die Diagnostik schlussendlich in Rheinland-Pfalz!

Dennoch lässt sich ADHS relativ zuverlässig feststellen und von altersgemäßem Benehmen unterscheiden. Dies ist von großer Bedeutung, da die Krankheit möglichst frühzeitig erkannt und behandelt werden sollte, unter anderem weil anscheinend ein Zusammenhang zwischen ADHS und anderen Erkrankungen besteht. Neben Angststörungen, Depressionen und der Entwicklung einer antisozialen Persönlichkeit, die gesellschaftliche Regeln missachtet, zählt hierzu die Sucht.

Pharmazeutische Zeitung

Instinktiv habe ich also genau den für mich richtigen Weg eingeschlagen und verzichte auf Alkohol. Laut dem oben zitierten Artikel besteht bei Personen mit AD[H]S ein bis zu viermal höheres Risiko, im Erwachsenenalter einen Substanzmissbrauch zu entwickeln als bei gesunden Menschen.

What’s up?

Viel, viel zu lange habe ich hier nichts mehr geschrieben…. in den letzten Monaten hat sich bei mir vieles getan. Einiges ist nun deutlich klarer als zuvor für mich, das meiste aber entwickelt sich gerade mehr oder weniger ziemlich erfolgreich vor sich hin.

Nachdem ich dank der Pandemie in den letzten Jahren mental ziemlich viel Struggle hatte, habe ich mich um Unterstützung bemüht. In den sozialen Medien habe ich mir tolle Netzwerke geschaffen, mit deren Hilfe ich Lösungswege für mich gefunden habe. Sonst wäre ich nie auf die Idee gekommen, mich auf die Warteliste der Ausbildungspraxis der Uni Ulm setzen zu lassen. Jedenfalls habe ich im September letzten Jahres dort eine Therapie begonnen. Im Rahmen der ersten Termine habe ich dann auch den Verdacht geäußert, AD[H]S zu haben. Einige Testungen und Termine bei einer darauf spezialisierten Praxis [dank Glück und der Online-Plattform Doctolib habe ich auch hier echt kurzfristig Termine erhalten] später hatte ich dann die Diagnose und mein Bauchgefühl hatte mich nicht getrogen. Ich bin so froh, jetzt endlich zu wissen, warum mein Hirn so speziell tickt….

Nach einem ausführlichen Gespräch mit der Assistenzärztin in der Praxis habe ich mich für eine medikamentöse Unterstützung entschieden und nehme nun 2x täglich ein entsprechendes Präparat. Mittlerweile nehme ich dieses seit vier Monaten, für mich war die Entscheidung absolut richtig! Nicht nur bin ich bei meinen täglichen Aufgaben deutlich fokussierter, auch Tasks wie Ordnung halten fallen mir gerade einigermaßen leicht. Da hab ich mir allerdings auch wieder in den sozialen Medien das ein oder andere abgeschaut. Stichwort: Bodydoubling. Mein Kopf braucht aber auch zusätzlichen Input. Bei TikTok habe ich viele Tricks angesehen, ausprobiert und zum Teil als für mich umsetzbar und in den Alltag integrierbar bewertet.

Die Technik, die ich mittlerweile seit über einem Monat anwende [und so lange war meine Wohnung noch nie so ordentlich!] ist eigentlich total simpel. Dafür werden nur ein Würfel, Stift und Papier benötigt. Je nachdem, wie viele Seiten der Würfel hat, werden Aufgaben notiert und nummeriert. Dann wird gewürfelt und die entsprechende Tätigkeit steht dann als nächstes zur Erledigung an. Früher hätte ich mir nur vorgenommen, z. B. das Wohnzimmer aufzuräumen. Megaaufgabe, zumindest in meinem Kopf. Jetzt splitte ich das eben in Babysteps und somit ist das deutlich besser zu bewältigen. Selbst wenn ich nur einen Teil der Aufgaben mache [die meisten dauern zwischen 5 und 15 Minuten], ist es besser als nichts. Tipp meiner Therapeutin war, nicht nur Tasks auf die Liste zu schreiben, sondern auch ein oder zwei tolle Sachen. Das kann dann sowas sein wie zu einem Lied zu tanzen, eine Kerze anzuzünden o. Ä. Ich finde es ja total befriedigend, die einzelnen Punkte abstreichen zu können. Dopamin etc. sind einfach tolle Hormone! Bei ADHS funktioniert das Gehirn einfach anders als bei neurotypischen Personen.